Embryonale und adulte Stammzellen – Vor- und Nachteile

Stammzellen
Stammzellen © psdesign - fotolia.com

Es gibt verschiedene Typen von Stammzellen[1] mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften und Wirkungsweisen. Besonders wichtig ist hierbei die Unterscheidung betreffend den Ursprung einer Stammzelle, also die Frage nach der Substanz, aus der diese gewonnen wird. Damit du bei deinen Recherchen nicht den Überblick verlierst haben wir für dich ein kleines ABC der Stammzelltypen erstellt, das nicht nur komplizierte Fachbegriffe in den Raum wirft. Es soll so verständlich und interessant wie möglich sein.

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=zWONbava8WU]

Warum Stammzellen?

Stammzellen spielen jetzt schon eine tragende Rolle bei der Linderung von schweren Erkrankungen und sind ein wichtiger Bestandteil der Regenerativen Medizin. Diese beschäftigt sich mit der Heranzüchtung von Haut-, Knorpel-, und Organteilen sowie der Bekämpfung von Zivilisationskrankheiten. Stammzellen werden in der Regel aus Knochenmark, Fettgewebe und in den letzten Jahren zunehmend aus Nabelschnurblut gewonnen.  Die Transplantation von Stammzellen hat schon heutzutage eine große Bedeutung bei der Heilung von Leukämie oder Herzerkrankungen und weltweit arbeiten Wissenschaftler und Mediziner mit Hochdruck an neuen Einsatzgebieten.

Embryonale Stammzellen: totipotente und pluripotente Zellbildung

Wie man es vom Namen her schon erraten kann kommt dieser Typus nur im Embryo vor. Aufgrund dieser im menschlichen Leben nur sehr kurzen Phase sind sie besonders selten. Es werden in der embryonalen Phase zwei Wirkungsmöglichkeiten unterschieden: totipotente und pluripotente Stammzellen. Die totipotenten Stammzellen können als „Alleskönner“ bezeichnet werden, sie existieren nur in einem sehr kurzen Zeitfenster und aus ihnen entspringen alle menschlichen Gewebe- und Zellarten. Die pluripotenten embryonalen Stammzellen sind gleichsam die „kleine Schwester“ und werden später noch für die Stammzellengewinnung aus Nabelschnurblut (Plazentarestblut) für uns interessant werden.  Diese pluripotenten Stammzellen können zwar nicht mehr alles aus sich entstehen lassen, doch entwickeln sich aus ihnen ganz spezifische und für uns Menschen sehr wichtige Zellarten (z. B. Nerven-, Haut-, Muskel- und Knorpelzellen). Ohne Übertreibung: die embryonalen Stammzellen sind sozusagen die Mutter aller Zellen, aber sie haben auch einen Haken! Die Konservierung bzw. Weiterverwendung von embryonalen Stammzellen ist ethisch außerordentlich heikel und löst hitzige Debatten aus. Denn die Gewinnung von diesem Stammzelltypus kann nur aus einer zerstörten Blastozyste bewerkstelligt werden – einfacher formuliert: aus einem Fötus, der im Reagenzglas kultiviert wurde. Darum werden in diesem Forschungsfeld viele ethisch sehr umstrittene und gewagte Versuche gemacht, wie z. B. Rettungsgeschwister oder geklonte Eizellen (unbefruchtet). Bringen wir es auf den Punkt: die embryonalen Stammzellen haben das mit Abstand größte Potential in allen medizinischen Therapiemöglichkeiten, doch eine ethisch vertretbare Gewinnung ist derzeit nicht in Sicht [2][3][4][5]. Ein möglicher Weg wäre die bewusste Manipulation von adulten Stammzellen, damit diese die Eigenschaften der begehrten embryonalen Stammzellen annehmen können.

Adulte Stammzellen: die Quelle der Regenerativen Medizin

Bei den embryonalen Stammzellen haben wir uns eine Phase weit vor der Geburt angesehen, von adulten Stammzellen spricht man ab dem Zeitpunkt der Abnabelung. Diese Stammzellen sind nicht mehr pluripotent (im Gegensatz zu den embryonalen) sondern multipotent. Der Unterschied liegt wieder im Detail, genauer in der lateinischen Vorsilbe („Pluri“ = mehr und „Multi“ = viele). Hier gilt eine einfache Faustformel, nämlich „mehr“ ist fähiger als „vieles“. Während also die multipotenten Stammzellen nach der Geburt entstehen und für viele Zellbildungen zuständig sind, können die pluripotenten Stammzellen aus Embryos einfach noch mehr. Kurz gesagt: die adulten Stammzellen können sehr viele Zellarten bilden und ebenso viele Krankheitsbilder lindern, doch die embryonalen Stammzellen können noch deutlich mehr.

Die adulten Stammzellen wurden in den letzten Jahrzehnten vorrangig aus Knochenmark gewonnen. Mittlerweile werden jedoch zunehmend andere Quellen (z. B. Fettgewebe, Nabelschnurblut oder Milchzähne) zur Stammzellen-Gewinnung herangezogen. Speziell jene aus Nabelschnurblut gehören zu den frischen, besonders „jungen“ adulten Stammzellen und verfügen über viele Eigenschaften[6][7]. Mit diesem Stammzellentypus können viele neue Therapieformen entwickelt werden und es gibt große Fortschritte in der Bekämpfung von beispielsweise Herzerkrankungen, Diabetes oder Leukämie. Bei der Transplantation der Stammzellen wird zwischen einer autologen und einer allogenen Variante unterschieden. Erstere bedeutet die Verwendung von körpereigenen Stammzellen, zweitere bezieht sich auf gespendete und daher körperfremde Stammzellen. Bei Erberkrankungen werden prinzipiell allogene Transplantationen von adulten Stammzellen durchgeführt, daher wird auf Stammzell-Spenden zurückgegriffen[8][9][10][11].

Fazit:

Die Gewinnung von adulten Stammzellen (beispielsweise aus Nabelschnurblut)[12] ist im Vergleich zu embryonalen Stammzellen einfacher und ethisch vertretbarer, die nur durch die Zerstörung bzw. künstlich gezüchtete bzw. geklonte Embryos (Rettungsgeschwister) gewonnen werden. Die pluripotenten Alleskönner findet man jedoch als Stammzelle überwiegend nur bei der embryonalen Variante. Trotzdem können die adulten Stammzellen in ihrer Multipotenz gegen schwere Erkrankungen helfen und lebensnotwendige Transplantationen ermöglichen. Schon aus diesem Grund sollte das Nabelschnurblut zumindest gespendet oder private eingelagert werden, damit die wertvollen Stammzellen medizinisch weiterverwendet und deinem Kind oder erkrankten Mitmenschen helfen können.

 

Weitere Artikel rund um Nabelschnurblut & Stammzellen

 

Schwangere und grünes Buch

© pressmaster – Fotolia.com

Weitere Ratgeber zur Schwangerschaft

 


Literaturverzeichnis

Berger, Martin (2007): Embryonenschutz und Klonen beim Menschen – neuartige Therapiekonzepte zwischen Ethik und Recht. Ansätze zur Entwicklung eines neuen Regelungsmodells für die Bundesrepublik Deutschland ; unter besonderer Berücksichtigung der Rechtslagen in Großbritannien und der Schweiz sowie internationaler Regelungen und Vereinbarungen. Teilw. zugl.: Göttingen, Univ., Diss., 2005 (Recht & Medizin, 81). Frankfurt am Main: Lang.

Dohmen, D. (2004): Neonatale Stammzellen. Rechtliche Grundlagen und Probleme. In: Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz 47 (1), S. 21–30.

Giorgetti, Alessandra; Montserrat, Nuria; Aasen, Trond; Gonzalez, Federico; Rodríguez-Pizà, Ignacio; Vassena, Rita et al. (2009): Generation of induced pluripotent stem cells from human cord blood using OCT4 and SOX2. In: Cell stem cell 5 (4), S. 353–357.

Gordijn, Bert (2000): Ethische Fragen zur Stammzellentransplantation aus Nabelschnurblut. In: Ethik in der Medizin 12 (1), S. 16–29.

Manzei, Alexandra (2005): Stammzellen aus Nabelschnurblut. Ethische und gesellschaftliche Aspekte ; eine Veröffentlichung des Institutes Mensch, Ethik und Wissenschaft (IMEW). 1. Aufl. (IMEW Expertise, 4). Berlin: Institut Mensch Ethik und Wissenschaft (IMEW).

Müller, Werner (2013): Therapie mit Stammzellen. In: Biologie in unserer Zeit 43 (1), S. 40–45.

Pflegerl, Pamina; Keller, Thomas; Hantusch, Brigitte; Hoffmann, Thomas Sören; Kenner, Lukas (2008): Stammzellforschung–Status, Ausblick und bioethischer Aspekt. In: Wiener medizinische Wochenschrift (1946) 158 (17-18), S. 493–502.

Roos, Martin (2013): Leukämie-Stammzellen früh erwischen. In: Im Focus Onkologie 16 (5), S. 8. DOI: 10.1007/s15015-013-0229-0.

Schmidt, Mathias (2001): Stammzellen aus der Nabelschnur. Neue Wege der Gesundheitsvorsorge für Ihr Kind. 1. Aufl. (Gesundheit aktuell).

Takahashi, Kazutoshi; Yamanaka, Shinya (2006): Induction of pluripotent stem cells from mouse embryonic and adult fibroblast cultures by defined factors. In: Cell 126 (4), S. 663–676.

Tätigkeitsbericht der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) (2013). In: Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz 56 (7), S. 985–991.

Taupin, Philippe (2009): Stem cells. New York: Nova Science Publishers. URL:

Wang, Sen; Cheng, Hongbin; Dai, Guanghui; Wang, Xiaodong; Hua, Rongrong; Liu, Xuebin et al. (2013): Umbilical cord mesenchymal stem cell transplantation significantly improves neurological function in patients with sequelae of traumatic brain injury. In: Brain research 1532, S. 76–84.

Weingartner, Paul (Hg.) (2009): Rohstoff Mensch, das flüssige Gold der Zukunft? Ist Ethik privatisierbar? ; [der vorliegende Band basiert auf einem internationalen Wissenschaftlergespräch vom 26. – 28. Oktober 2005. Internationales Wissenschaftlergespräch (Wissenschaft und Religion, 20). Frankfurt am Main: Lang.

[1] Taupin 2009.

[2] Berger 2007; Takahashi und Yamanaka 2006; Weingartner 2009.

[3] Tätigkeitsbericht der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) 2013.

[4] Dohmen 2004.

[5] Gordijn 2000.

[6] Giorgetti et al. 2009.

[7] Wang et al. 2013.

[8] Manzei 2005.

[9] Müller 2013.

[10] Pflegerl et al. 2008.

[11] Roos 2013.

[12] Schmidt 2001.


Adulte Stammzellen- die Quelle der Regenerativen Medizin

Adulte Stammzellen- die Quelle der Regenerativen Medizin – Bild © mmphoto – fotolia.com

Embryonale Stammzellen - totipotente und pluripotente Zellbildung

Embryonale Stammzellen – totipotente und pluripotente Zellbildung – Bild © Dan Race – Fotolia.com

Keine Bewertungen vorhanden.

Bitte bewerte diesen Beitrag

1 2 3 4 5

Das könnte dich auch interessieren …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert