Bioimplantate der Stammzellforschung gegen Inkontinenz
Über ein Thema wird besonders selten mit Freunden gesprochen, obwohl es weit verbreitet ist: Inkontinenz. Der unbewusste Verlust von Harn oder Stuhl gilt als gesellschaftliches „No-Go“. Die WHO schätzt die Anzahl der Betroffenen weltweit auf über 200 Millionen und die Stammzellforschung kann auch in diesem sensiblen, mit Scham besetzten Thema neue medizinische Lösungen anbieten[1].
Arten der Inkontinenz
Es gibt drei verschiedene Arten der „Inkontinenz“, nämlich die Unfähigkeit den Harn, den Stuhl oder die Stimmungslage zurückzuhalten. Letzteres gehört aber eher in die Verhaltenstherapie und kann mit Stammzellen (vorerst) noch nicht behandelt werden. Die Harninkontinenz wird umgangssprachlich auch „Blasenschwäche“ genannt[2]. Laut Definition wäre man schon ab dem ersten „unüberlegten Tropfen“ von der Inkontinenz betroffen, doch nach dieser engen Vorstellung wäre fast jeder damit konfrontiert. Die häufigste Form ist die Dranginkontinenz bzw. eine Form, die sehr stark mit Stress- und Belastungen auftritt. Wenn ein starker, unkontrollierbarer Harndrang entsteht, dann handelt es sich um die Dranginkontinenz. Sie wird oft durch entzündliche Vorgänge oder chronischen Krankheiten (Alzheimer, Multipler Sklerose, Parkinson…) oder nach Schlaganfällen ausgelöst. Die Stressinkontinenz tritt bei Belastungen auf, diese können durch gesellschaftliche „Hopplas“ (Husten, Niesen, Lachen) oder bei muskulären Handlungen (Heben von schweren Einkaufstaschen etc.) verursacht werden[3].
Psychosoziale Auswirkungen einer Inkontinenz
Grundsätzlich tritt Inkontinenz vor allem bei älteren Menschen auf. Diese sich mehrenden Missgeschicke werden in der Regel zu einer mentalen Belastung. Die Vorstellung an öffentlichen Orten die „Kontrolle“ zu verlieren führt bei Menschen mit einer schweren Inkontinenz oft zu einem schleichenden Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben. Eine Aufklärungskampagne könnte dahingehend helfen, denn von der Stuhlinkontinenz sind in Deutschland über 800 000 Personen betroffen[4].
Welchen Beitrag können Stammzellen leisten?
Bis jetzt gibt es mehrere Behandlungsmöglichkeiten. Bei einer einfachen Inkontinenz kann mithilfe eines gezielten Beckenbodentrainings die Situation verbessert werden. Wenn die Haltefunktion der Blase deutlich beeinträchtig ist, dann können chirurgische Eingriffe oder Elektrostimulationen helfen. Bei operativen Eingriffen werden bei Frauen synthetische Bänder in den Beckenboden eingesetzt, bei Männern können kleine Pumpen in den Hodensack implementiert werden. Diese „externen Hilfsmittel“ wie Bänder und Pumpen sind künstliche Implantate, die Entzündungsreaktionen hervorrufen können. Die Regenerative Medizin arbeitet aus diesem Grund intensiv an der Herstellung von Bioimplantaten[5][6]. Diese „natürlichen“ Implantate werden aus Stammzellen herangezüchtet und den Betroffenen eingesetzt. So können Gewebeteile bzw. -strukturen an die Blase geheftet werden und die Inkontinenz beseitigen. Neben den neuen Therapiemaßnahmen durch Stammzellen wäre auch eine Enttabuisierung dringen notwendig, darüber sprechen hilft – jeder kann von einer Inkontinenz betroffen sein.
Stammzellen können nicht nur bei Inkontinenzen helfen, sondern über 70 Krankheiten lindern[7]. Auch bei Krebs oder Diabetes kann die Stammzellforschung neue Fortschritte aufweisen. Stammzellen können aus Knochenmark, Fettgewebe, Milchzähnen oder Nabelschnurblut weiterverwendet werden. Gründe für eine Spende oder Einlagerung von Stammzellen aus Nabelschnurblut haben wir hier für dich aufgelistet.
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Literaturverzeichnis
Beaumont, Katharina: Inkontinenz nach Fistelexzision mit primärer Sphinkterrekonstruktion. Dissertation. Ludwig-Maximilians-Universität, München. URL: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:19-208797.
Dohmen, D. (2004): Neonatale Stammzellen. Rechtliche Grundlagen und Probleme. In: Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz 47 (1), S. 21–30. DOI: 10.1007/s00103-003-0722-2.
Giorgetti, Alessandra; Montserrat, Nuria; Aasen, Trond; Gonzalez, Federico; Rodríguez-Pizà, Ignacio; Vassena, Rita et al. (2009): Generation of induced pluripotent stem cells from human cord blood using OCT4 and SOX2. In: Cell stem cell 5 (4), S. 353–357. DOI: 10.1016/j.stem.2009.09.008.
Gluckman, Eliane; Ruggeri, Annalisa; Volt, Fernanda; Cunha, Renato; Boudjedir, Karim; Rocha, Vanderson (2011): Milestones in umbilical cord blood transplantation. In: British journal of haematology 154 (4), S. 441–447. DOI: 10.1111/j.1365-2141.2011.08598.x.
Liese, Mario: Funktionelle Untersuchungen zur Inkontinenz im Säuglings-, Kindes- und Erwachsenenalter zur Beurteilung des Stellenwertes der anorektalen Manometrie für die Systematik von Diagnostik und Therapie. @Berlin, Humboldt-Univ., Diss, 2003.
Radner, Alfred (1991): Inkontinentenversorgung durch die Krankenversicherung (Sozialpolitische Monografien, 1). Linz: Trauner.
Tätigkeitsbericht der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) (2013). In: Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz 56 (7), S. 985–991.
Weyand, Guido: Funktionsdiagnostische Befunde bei Patienten mit idiopathischer anorectaler Inkontinenz. @Düsseldorf, Univ., Diss., 1998.
Zenke, Martin; Marx-Stölting, Lilian; Schickl, Hanna: Aktuelle Entwicklungen in der Stammzellforschung. Aktuelle Entwicklungen der Stammzellforschung: eine Einführung 2018, 35.52.
Zeyfang, Andrej; Hagg-Grün, Ulrich; Nikolaus, Thorsten (2013): Basiswissen Medizin des Alterns und des alten Menschen. 2., überarbeitete Auflage (Springer-Lehrbuch). Berlin, Heidelberg: Springer. URL: http://dx.doi.org/10.1007/978-3-642-28905-7.
[1] Liese.
[2] Beaumont.
[3] Radner 1991.
[4] Zeyfang et al. 2013.
[5] Zenke et al.
[6] Weyand.
[7] Tätigkeitsbericht der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) 2013; Dohmen 2004; Giorgetti et al. 2009; Gluckman et al. 2011.